Tulip-FotoschuleFotografie am Abend

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Lichtspaghetti und Sternenlaternen - Fotografie am Abend

Irgendwo stehen sie bestimmt ...

Gehen Sie mal in der Dämmerung auf belebte Plätze und Straßen, vorzugsweise auf touristisch interessante: Fast mit Sicherheit werden Sie dort Menschen hinter Stativen mit Fotoapparaten stehen sehen, die Aufnahmen machen.

Man sieht keinen Blitz, und irgendwie drücken die auch gar nicht auf den Auslöser - geht das denn?

Available Light Fotografie

Wo bleibt nur mein Döner?! - Blitzen hätte die Stimmung komplett zerstört

Wer abends und nachts ohne Blitz unterwegs ist, versucht möglichst naturgetreue Fotos von seiner Umgebung zu machen - er oder sie nutzt das vorhandene Licht (auf Englisch: "Available light") aus.

Das funktioniert entweder mit sehr hohen ISO-Zahlen aus der Hand, denn nur so kann ich die Belichtungszeiten so kurz halten, dass ich nicht "verreiße".

Oder Sie suchen sich eine stabile Unterlage (das Brückengeländer, ein Tisch, Ihr Autodach, ...) und lösen ohne die Kamera zu berühren (das wackelt!) aus. Ein Trick: Probieren Sie es mal mit dem kameraeigenen Selbstauslöser - der ist nicht nur dazu da, noch fix mit aufs Gruppenfoto zu huschen!

Am unabhängigsten sind Sie aber mit Stativ und Fernauslöser.

Ausrüstung: Stativ und Fernauslöser

Nur Mut, Nacht und Glatteis machen schöne Gruselbilder!

Wenn Sie überlegen, sich ein Stativ zuzulegen: Sparen Sie bitte nicht an der falschen Stelle! Für eine kleine Kompaktkamera reicht ein "Spinnenbein-Stativ" vielleicht noch völlig aus. Aber Ihre Spiegelreflex-Kamera sollten Sie denn doch lieber einem stabileren Modell anvertrauen ...

Mit einem Fernauslöser können Sie - im Gegensatz zum Selbstauslöser mit seiner voreingestellten Ablauf-Zeit - selbst bestimmen, wann Sie auslösen. Der Fernauslöser kann über ein Kabel mit Ihrer Kamera verbunden sein oder via Funkübertragung drahtlos funktionieren. Wichtig ist, dass der Auslöser zu Ihrem Kameramodell passt - das muss explizit in der Beschreibung oder auf der Packung genannt sein. Kabelauslöser vorsichtig anschließen, die Steckverbindungen sind empfindlich.

Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, ...

Uiii, gleich heben sie ab ... Riesenrad & co. verwischen bei 10 Sekunden zu Licht-Scheiben

Los geht´s, die Kamera ist aufs Stativ geschraubt und der Fernauslöser an die Kamera. Jetzt heißt es erst mal "Runter mit den ISO!" - schließlich sind lange Verschlusszeiten diesmal völlig egal oder sogar gewünscht, und niedrige ISO-Werte sorgen zusätzlich für eine bessere Bildqualität.

Arbeiten Sie mit Blendenvorwahl, dann steuert Ihre Kamera die geforderte Verschlusszeit automatisch bei. Und Sie werden sich wundern: Nichts da mit den üblichen Sekundenbruchteilen, wenn es etwas dunkler ist - mehrere Sekunden, bei dunkler Umgebung sogar Minutenwerte sind die Regel!

Lichtspaghetti und Sternenlaternen

Die Kamera malt Lichtspaghetti, die man in der Realität so nicht sieht

Wenn die Belichtungszeit sehr lang ist, verwischen Motive, die sich durchs Bild bewegen. Normalerweise vermeidet man das ja eher - aber abends können Sie es für tolle Effekte nutzen:

Suchen Sie sich eine Straße oder Kreuzung aus und richten Sie Ihre Kamera vom Straßenrand aus auf den Autoverkehr. Die dunklen Fahrzeuge verschwinden bei langen Verschlusszeiten fast ganz - und die Scheinwerfer zaubern im Vorbeifahren "Lichtspaghetti" auf Ihr Bild.
Blinkende Autos malen orangefarbene Strichellinien, Fahrradfahrer ganz zarte Bögen, die Innenbeleuchtung in einem vorbeifahrenden Bus ein breites Band ... Machen Sie mehrere Fotos vom gleichen Standpunkt aus und probieren Sie auch mit verschiedenen Blendeneinstellungen herum: Je nach Belichtungszeit und Verkehrsaufkommen können Sie richtige Abenteuer erleben.

Blaue Stunde mit Sternenlaternen

Wenn Sie sich helle runde Lichter wie Straßenlaternen ansehen, werden Sie feststellen, dass aus ihnen teils Sterne werden. Wie kommt das?
An den Lamellen im Objektiv bricht sich das helle Licht - dieser Effekt tritt vor allem dann ein, wenn Sie eine kleine Blende (z.B. Blende 16 oder 22) verwenden und eher im Weitwinkel fotografieren.

Und falls Sie sich wundern, warum die Sterne mit unterschiedlichen Objektiven unterschiedlich viele Strahlen bekommen: Objektive mit gerader Zahl machen so viele Strahlen, wie es Lamellen gibt, bei denen mit ungerader Lamellenzahl gibt´s sogar doppelt so viele ... Viel Spaß beim Zählen!

Tipps und Tricks

Canon Kompaktkameras überlisten

Brache mit Ampel- und Laternenbeleuchtung - mit meiner kleinen Canon über Zeitvorwahl machbar

Seltsamerweise habe ich schon mit mehreren Canon-Kompaktkameras die Erfahrung gemacht, dass sie in Programm Blendenvorwahl nur bis maximal 1 Sek. belichten wollen - was oft viel zu kurz ist.
Sollte Ihnen das passieren: Schalten Sie auf Zeitvorwahl (Tv) um! Dort gibt es Einstellmöglichkeiten für längere Verschlusszeiten - und übers Display können Sie das Ergebnis schon vor dem Auslösen beurteilen.

Bild insgesamt zu hell - abends absichtlich unterbelichten

Nicht die Nacht zum Tag machen: Hier wurde absichtlich um -2/3 Blende unterbelichtet

Ihr Foto ist viel zu hell geworden, der Abend- oder Nachtcharakter kommt gar nicht raus?

Das liegt an der "Dummheit" von technischen Geräten (sorry!): Der Belichtungsmesser Ihrer Digitalkamera ist auf eine ausgewogene Lichtverteilung ausgelegt - schließlich ist ja tagsüber meist auch alles von sehr hell bis sehr dunkel vertreten. Deswegen versucht Ihre Kamera krampfhaft, das auch nachts hinzubekommen und Ihnen so ein "schönes" Bild zu bieten.

Greifen Sie selbst ein: Mit einem meist mit +/- markiertem Knopf oben oder hinten an der Kamera können Sie gezielt über- oder unterbelichten. Also Knopf drücken, am Rädchen nahe dem Auslöser drehen - und mit Werten im Minus-Bereich die Belichtung zurückschrauben, bis es tatsächlich sehr dunkle Bereiche und auch einen angemessen dunklen Himmel gibt.

Light-Writing

Mit einer blauen Neonröhre durchs Bild gelaufen - bei 36 Sekunden Verschlusszeit ist von mir selbst nichts mehr zu sehen, nur das Licht bleibt übrig

Dass Ihre Kamera aus sich bewegenden Lichtern Linien macht, können Sie auch noch anders kreativ nutzen: Probieren Sie doch mal "Light-Writing" (Licht-Schreiben, auch "Light-Painting", Licht-Malen genannt) aus!

Suchen Sie sich ein hübsches Plätzchen und bewegen Sie sich mit einer Taschenlampe oder anderen Lichtquelle vor der Kamera - während der Belichtungszeit. Die sollte in diesem Fall möglichst lang sein, damit Sie Zeit zum Herumspielen haben. Vielleicht nehmen Sie sich auch jemanden mit, der den Fotoapparat bedient.

Auf dem Bild erscheinen wie von Zauberhand Ihre ganz eigenen Licht-Bilder ...

Und sollten Sie das auf einer Straße ausprobieren: Großes Staunen der Passanten garantiert!
Erst mal, weil Sie die prima Slapstick-Nummer mit der Lampe vor der Kamera bieten - dazu gehört schon etwas Mut. Und "Aah!" und "Ooh!", wenn Sie als Antwort auf die Frage "Sagen Sie mal, was bitte machen Sie denn da?!" das entstandene Foto auf dem Display zeigen.